Sehen wir den Dingen ins Auge: Wir sind ein Volk der müden, nervösen und traurigen Menschen geworden. Aufstehen und Bäume ausreißen war gestern. Heute fühlen wir uns ausgebrannt, bevor auch nur das kleinste Feuer gelodert hat. Und wer ist schuld? Ich sage, das Fernsehen.
Der Beruf mag eine Rolle spielen. Die Arbeitsverdichtung nimmt ebenso zu wie der Druck, mit elektronischer Unterstützung mit wachsendem Zeitaufwand sinnlose Dinge zu tun. Und diese für wichtig zu halten. So wie und das weiß behemdete Bahnfahrer mit Laptop vorführen.
Aber die Ursache unserer Müdigkeit haben wir schnell gefunden, wenn wir an frühere Zeiten zurückdenken. Ja, es war tatsächlich so, dass es drei Fernsehprogramme gab, von denen 80 Prozent eine wichtige Sendung (Edgar Wallce, Raumschiff Orion etc.) angeschaut haben. Arbeitsbeginn war gegen 7 Uhr. Und aus Rücksicht auf die werktätigen Massen kamen die bedeutenden Sachen früh genug, damit man ausschlafen konnte. Nach 23 Uhr wurde ein buntes Testbild gesendet.
Heute ist das anders. Da schauen 4,4 Millionen Menschen das spanische Fußball-Pokalfinale, welches mit Verlängerung bis kurz vor Mitternacht dauert. Sie haben erlebt, wie “Der Checker” bei “Let’s Dance” den alten Samba-Mimen Bernd Herzsprung hinausgeworfen hat und liegen lange wach, um zu ergründen, wie das geschehen konnte. Sie haben Jutta Ditfurth bei “Hart, aber fair” diskutieren sehen und sind aufgewühlt bis unter die Milz. Von den heißen Tränen, die nach Beckmanns nächtlichen Psycho-Seancen vergossen werden, ganz zu schweigen.
Das Problem unserer Zeit ist dieses: Unser Arbeitsbeginn ist so früh, wie er immer war. Aber das Fernsehen lässt uns immer später ins Bett.
Wohl dem, der am Arbeitsplatz dösen kann. Noch wohler dem, der im Wortsinn abschalten.